Narzissmus verstehen: "Gaslighting" - wenn die Realität ins Wanken gerät

Narzissmus verstehen: "Gaslighting"

Manchmal sind es nur kleine Bemerkungen oder beiläufige Gesten, die uns stutzen lassen: „War das wirklich so?“ oder „Vielleicht übertreibe ich ja doch.“ – Wenn solche Zweifel jedoch nicht aus uns selbst heraus entstehen, sondern gezielt von einer anderen Person hervorgerufen werden, spricht man von Gaslighting. Der Begriff stammt aus dem Theaterstück Gas Light aus den 1930er Jahren (später verfilmt). Darin manipuliert ein Ehemann seine Frau, indem er heimlich die Gaslampen im Haus dimmt und anschließend behauptet, sie bilde sich die Veränderungen nur ein. Mit der Zeit verliert sie das Vertrauen in ihre Wahrnehmung – genau das geschieht beim Gaslighting auch im echten Leben.

Was genau ist Gaslighting?

Gaslighting ist eine psychologische Manipulationstechnik, die darauf abzielt, eine andere Person an ihrem Verstand zweifeln zu lassen. Typisch ist, dass der Gaslighter:

  • Ereignisse leugnet, selbst wenn sie offensichtlich sind.
  • Gefühle kleinredet („So schlimm war das nicht!“).
  • Fehler umkehrt („Du hast das verursacht, nicht ich.“).
  • Verwirrung stiftet, indem er seine Aussagen ständig ändert.

Das Perfide: Betroffene verlieren Stück für Stück das Vertrauen in ihre Wahrnehmung, ihre Erinnerung – und oft auch in ihre Fähigkeit, die Realität richtig einzuordnen.

Warum ist Gaslighting so wirksam?

Gaslighting entfaltet seine Wirkung vor allem deshalb, weil es schleichend und subtil geschieht. Niemand zweifelt von heute auf morgen an sich selbst. Stattdessen entwickelt sich ein Kreislauf:

  1. Verunsicherung – kleine Zweifel werden gestreut („Das hast du falsch verstanden.“).
  2. Abwertung – Gefühle werden relativiert („Du bist viel zu sensibel.“).
  3. Isolation – Betroffene ziehen sich zurück, weil sie Angst haben, „falsch“ zu reagieren.
  4. Abhängigkeit – je mehr Selbstsicherheit verloren geht, desto stärker orientieren sie sich am Gaslighter.

Gaslighting wirkt deshalb so zerstörerisch, weil es Identität und Selbstwert untergräbt. Wer permanent das Gefühl hat, „falsch“ zu denken oder zu fühlen, verliert den Boden unter den Füßen.

Typische Beispiele für Gaslighting

In der Partnerschaft

Gaslighting tritt oft in toxischen Beziehungen auf. Typische Sätze sind:

  • „Das habe ich nie gesagt – du bildest dir das ein.“
  • „Du bist doch hysterisch, übertreib nicht so.“
  • „Wenn du mich wirklich lieben würdest, würdest du das nicht so sehen.“

Die Partnerin oder der Partner beginnt zu glauben, dass die eigene Wahrnehmung unzuverlässig ist – und richtet sich immer stärker nach den Vorgaben des Gaslighters.

In der Familie

Gerade in Familien wird Gaslighting häufig verharmlost:

  • „Du warst schon als Kind schwierig, das weiß doch jeder.“
  • „So war es nie, du verdrehst die Vergangenheit.“
  • „Du bist schuld, dass es Streit gibt.“

Das führt dazu, dass erwachsene Kinder oft Jahre später noch mit Unsicherheit und Selbstzweifeln kämpfen.

Am Arbeitsplatz

Auch im Berufsumfeld ist Gaslighting keine Seltenheit:

  • Eine Führungskraft behauptet, klare Anweisungen nie gegeben zu haben.
  • Erfolge werden anderen zugeschrieben, Fehler aber dem Opfer.
  • Kritik wird als „überempfindlich“ abgetan.

Das Resultat: Betroffene verlieren ihr berufliches Selbstvertrauen und fühlen sich handlungsunfähig.

Erste Schritte, um sich gegen Gaslighting zu wehren

  • Eigene Wahrnehmung dokumentieren
    Führe ein Tagebuch oder eine Notizen-App. Schreibe konkrete Aussagen, Situationen und Daten auf. Diese schriftliche Bestätigung hilft, das Vertrauen in die eigene Erinnerung zurückzugewinnen.
  • Gefühle ernst nehmen
    Frage dich: „Wie habe ich mich in dem Moment gefühlt?“ – Auch wenn Fakten bestritten werden, deine Emotionen sind real und gültig.
  • Außenperspektiven suchen
    Vertraue dich engen Freund:innen oder Kolleg:innen an. Eine unabhängige Rückmeldung kann enorm entlasten und dir helfen, den Realitätscheck zu machen.
  • Grenzen ziehen
    Reagiere klar, wenn deine Realität infrage gestellt wird. Beispiele: „Ich erinnere mich anders und bleibe bei meiner Wahrnehmung.“ „Bitte hör auf, meine Gefühle zu relativieren.“
  • Professionelle Hilfe nutzen
    Wenn Gaslighting über längere Zeit anhält, kann psychologische Beratung oder Therapie entscheidend sein. Auch Beratungsstellen (z. B. für häusliche Gewalt oder Mobbing sowie Heilpraktiker für Psychotherapie) bieten konkrete Unterstützung.

Fazit

Gaslighting ist mehr als ein Streit oder eine Meinungsverschiedenheit. Es ist eine gezielte Manipulationsstrategie, die das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung zerstört. Indem man die Mechanismen erkennt, Beispiele benennt und erste Schritte zum Schutz geht, lässt sich die eigene Realität wieder zurückgewinnen.

Der wichtigste Schritt dabei ist: sich selbst wieder zu glauben.